Beim ersten Date sollte man vielleicht nicht gerade in seiner mittelmäßigen Variante auftauchen – schon gar nicht in Zeiten der Selbstoptimierung, in denen jeder nach dem besten Ich aller Zeiten strebt. Die Frage ist nur: Wie viele Ichs gibt es eigentlich? Welches davon ist das Beste? Und: Will man das überhaupt? Glücklich sind jene, die zum Narzissmus neigen. Schließlich sind sie ja in ihren Augen bereits die beste Version ihrer selbst. Aber diese Sichtweise wiederum ist natürlich sehr subjektiv. Besser wäre es da schon, ein paar objektive Daten und Fakten herbeizuschaffen. Und die Wahrheit liegt ja bekanntlich auf der Straße.
Ich gehe die Frage mal gleich ganz groß an und verabrede mich mit einer Mercedes-Benz V-Klasse. Weil’s gerne optimiert sein darf, fällt die Wahl auf die Spitzenmotorisierung, den 300d. Der Zwei-Liter Vierzylinder-Diesel mit seinen 239 PS Leistung und 500 Nm Drehmoment sollte für optimalen Vortrieb reichen, das serienmäßige 9G-Tronic Automatikgetriebe verteilt in diesem Fall die Leistung auf alle vier Räder. Optimal heißt in diesem Antriebsfall »4matic«. Und schon geht’s schwungvoll los mit uns beiden. Ein paar Mittelgebirgskurven sind genau richtig zum Kennenlernen, denke ich mir. Das optionale Agility-Control-Fahrwerk bleibt stets gelassen in der Spur, das selektive Dämpfersystem sorgt für komfortablen Ausgleich und Bodenwellen dämpft es mit einem Schulterzucken weg. Erste Erkenntnis also: So rein fahrphysikalisch gesehen läuft das hier richtig optimal, selbst der erhöhte Sitz mit Van-Perspektive ist schnell vergessen. Limousinenhafte Gefälligkeit stellt sich ein. Das Ambiente trägt das Seine dazu bei. Die Ausstattungslinie heißt »Exclusive« und gibt sich alle Mühe, diesem Anspruch auch gerecht zu werden.
Wobei hier ein kleiner Exkurs zur Versuchsanordnung dieses Dates angebracht ist: Optimierungsbestrebungen im Sinne der Selbstoptimierung sollten eine rationale, disziplinierte und systematische Selbststeuerung über Rückkoppelung aufweisen. Sie sollten also Sinn und Verstand haben. Routinemäßige Verbesserungen ohne gezieltes Hinwirken auf ein wie auch immer geartetes Ideal zählen nicht dazu. Es muss schon ein besonderer Lifestyle angestrebt werden.
Zurück auf die Straße, genauer: in den Fahrgastraum. Erster Eindruck: das ist alles fein gebürstet, was an Aluminium-Zierrat hierdrin so verbaut ist. Hier blinken die Lüftungsdüsen in Silberchrom, allenthalben sorgen Belederungen für haptische, die fein gearbeiteten Ziernähte für optische Freuden. Und das Panorama Schiebedach weitet den Horizont ungemein, während die Mittelkonsole mit einem integrierten Kühlfach erfreut. Ist das schon Selbstoptimierung? Schön ist es allemal, so die zweite Erkenntnis.
Ein großes Ganzes aber wird draus, wenn man genau hinhört. Auf das, was man zum Beispiel nicht hört: die Fahrgeräusche werden vom Dämmglas sanft des Innenraums verwiesen, während Freund Burmester mit Surround-Sound aus 16 Hochleistungslautsprechern inklusive Bassreflexbox für selbstgewählte Wohlfühlklänge sorgt. Getoppt wird das Ganze schließlich noch von den Sitzen – die aktive Sitzbelüftung sorgt für perfektes Klima im Fahrer- und Beifahrerrücken, die Gäste im Fond dürfen sich auf den optionalen Luxussitzen noch massieren lassen. Dritte Erkenntnis also: Nörgelnde Mitfahrer, sei es in Form von Lebenspartnern, Kindern oder Schwiegereltern, lassen sich prima ruhigstellen, selbst wenn die Tachonadel auf der Autobahn den maximalen 220km/h entgegenstrebt.
Stellt sich nur noch die Frage: Was sagt uns das alles für das selbstoptimierte Ich? Die Antwort kommt nur kurz nach der Testfahrt in Form einer Aufforderung: Meine Frau klagt über einen vernachlässigten Rücken, eine Massage sei angebracht, aber weniger als die V-Klasse sollte es bitteschön nicht sein…. Lange Rede, kurzer Sinn: War eine saublöde Idee, ausgerechnet dieses Vorzeige-Fahrzeug für diese Versuchsanordnung zu nehmen. Jetzt optimiere ich anstatt meiner Selbst das Wohlbefinden meiner Frau …